15 Dez Stellungnahme zur „Roadmap Gesundheit 2020″
In der „Roadmap Gesundheit“ stellen die Vertreterinnen und Vertreter der Initiative „Offensive Gesundheit“ (Ärztekammer für Wien, AK Wien, ÖGB arge FGV, Younion, Vida, GÖD, GPA djp) das Ergebnis eines Strukturdialogs vor. Dabei geht es um Personalbemessung, Arbeitsbedingungen und Ausbildung. Unter dem Bereich „Medizinische Assistenzberufe“ werden auch die SanitäteInnen mit folgender Beschreibung bedacht:
„Weiters sind Erleichterungen von Umschulungen für SanitäterInnen notwendig: Um SanitäterInnen langfristig im Gesundheitsbereich zu halten und um ihnen eine weitere berufliche Perspektive zu ermöglichen, bietet es sich an, einen erleichterten Zugang für NotfallsanitäterInnen zur Ausbildung zur medizinischen Fachassistenz zu schaffen. Im Rahmen der Ausbildung zur NotfallsanitäterIn werden rund 850 Stunden in Theorie und Praxis absolviert. Das Gesamtausmaß der Ausbildungsstunden kann einem Assistenzberuf, z.B. dem der Ordinationsassistenz (geringstenfalls dem MAB-Basismodul, 120 Stunden) gleichgestellt werden, so dass im Rahmen der medizinischen Fachassistenzausbildung nur noch zwei Ausbildungen in den medizinischen Assistenzberufen und die Erstellung einer Fachbereichsarbeit notwendig sind.“
Wir sind der Meinung, dass man hier in Bezug auf die Situation der SanitäterInnen deutliche weitere Schritte setzen kann und soll. Hier unsere Stellungnahme an die HerausgeberInnen und Mitwirkenden des Papiers:
Anmerkungen zur Roadmap Gesundheit 2020
SanitäterInnen erfüllen in diesem Land tagtäglich einen äußerst wertvollen Dienst an unserer Gesellschaft. Sie sind die Speerspitze unserer Notfallversorgung und leisten dabei unter extrem schwierigen Bedingungen außerordentliche Dienste am Nächsten.
Der Ruf nach SanitäterInnen ertönt oft in Ausnahmesituationen. Sie sind die Gruppe an der Schwelle zu den Gesundheitsberufen, die dann zum Zug kommt, wenn sich menschliche, soziale oder durch Katastrophen bedingte Tragödien abspielen. Die Verantwortlichen und die Öffentlichkeit erwarten schnell abrufbare Profis, die rund um die Uhr verfügbar sind, uns vor dem Schlimmsten bewahren, die Antworten und Lösungen parat haben für Situationen, die uns aus unserem Alltag reißen.
Die Ausführenden sind jedoch die im gesamten Gesundheitswesen am geringsten ausgebildete Tätigkeitsgruppe. Mit 260 Stunden Ausbildung (12,5 Tage Theorie und 14 Dienste als PraktikantIn) sind sie immer schon an vorderster Front bei Unfällen oder internistischen medizinischen Notfällen im Einsatz, im Krankentransport und bei Intensivüberstellungen. Freilich gibt es dann auch noch besser qualifizierte Notfallsanitäter (+480 bis 680 Stunden Ausbildung), doch auch die sind – ähnlich wie IntensivpflegerInnen – eine rare Ressource. Nicht wegen mangelnden Interesses seitens der SanitäterInnen, sondern weil diese Ausbildung von den Organisationen nur wenigen vorbehalten wird.
Mit der „Roadmap Gesundheit 2020“ wurde seitens der Gewerkschaften im Rahmen der „Offensive Gesundheit“ ein Papier veröffentlicht, in welchem die Bedürfnisse der im Gesundheitswesen Tätigen abgebildet wird.
Als BVRD.at begrüßen wir diese Initiative. Allerdings stellen wir mit großem Bedauern fest, dass offenbar die Sichtweise und Expertise der SanitäterInnen keine entsprechende Berücksichtigung findet. Der Vorschlag, ihnen berufliche Perspektiven zu bieten, indem man Umschulungen für SanitäterInnen bzw. NotfallsanitäterInnen in den Bereich der medizinischen Assistenzberufe ermöglicht, entspricht weder den Anforderungen einer modernen präklinischen Versorgung der Bevölkerung, noch spiegelt es die Bedürfnisse und Forderungen der SanitäterInnen wider. Vielmehr sieht der BVRD.at die dringende Notwendigkeit der Etablierung eines eigenständigen Berufsbildes ausschließlich über die Schaffung einer mehrjährigen Ausbildung: weg von der fremdbestimmten Hilfskraft hin zur eigenständigen Berufsgruppe, die eine wesentliche Bedeutung und Rolle in der Navigation von PatientInnen einnimmt (Belassung, Weiterverweisung, Primärversorgung, Gesundheits- und Sozialdienste, etc.).
Anstatt einer reinen „Aufschulung“ in medizinische Assistenzberufe entsteht ein wesentlich größeres Potenzial in einer eigenständigen Ausbildung von SanitäterInnen mit einer deutlichen Erweiterung des Tätigkeitsbereichs, die eine Durchlässigkeit hin zur Pflege eröffnet. Denn angesichts der demografischen Entwicklung sehen wir gerade in diesen Bereichen einen deutlich steigenden Personalbedarf.
Wir möchten in diesem Zusammenhang auch auf unser Positionspapier „Quo vadis, Berufsbild?“ (http://www.bvrd.at/images/Downloadbereich/Positionspapier_Zukunft_Rettungsdienst.pdf) aufmerksam machen, das im Rahmen der Initiative Zukunft Rettungsdienst erstellt wurde und auf evidenzbasierter, wissenschaftlicher Grundlagen Argumente für die Entwicklung eines Berufsbildes darlegt.
SanitäterInnen sollen in Zukunft als eigenständige Berufsgruppe innerhalb der Gesundheitsberufe anerkannt sein und als ExpertInnen für präklinische Akutsituationen und die Einschätzung von medizinischen Notfallindikation agieren. Dabei sollen stabilisierende Interventionen und medizinische Maßnahmen auf wissenschaftlich gewonnener Evidenz durchgeführt werden und einer laufenden Qualitätssicherung unterliegen.
SanitäterInnen haben eine hohe Frequenz an Patientenkontakten, welche große Flexibilität, Anpassungsvermögen sowie Verständnis und Anerkennung der Lebenssituation und Umstände von Menschen erfordert. Sie navigieren und begleiten Menschen durch die verschiedenen Stufen des Gesundheitssystems. Sie sollen genau diese Expertise in Zukunft in weit vielfältigerer Weise für die PatientInnen und den Gesundheitsbereich einbringen können.
Unsere Grundforderungen lauten daher:
- Schaffung eines Berufsbildes
- Mehrjährige Ausbildung
- Einbindung und Anerkennung des BVRD.at als organisationsübergreifende Fachvertretung für SanitäterInnen in Österreich